Die Filialprägung

chicken_small Ein einen Tag altes Küken auf der Mutterattrappe, die nach Prügung des Tieres auf einen
400 Hz Ton (mütterlicher Lockruf) als emotionale Belohnung eingesetzt wurde.

Die von Konrad Lorenz erstmals systematisch auf Verhaltensebene untersuchte Filialprägung ist der erste nachgeburtliche emotionale Lernprozess sowohl beim Tier, als auch beim Menschen. Unsere Arbeiten am Modell des Haushuhnkükens zeigte, dass dieser frühkindliche Lernprozess von morphologischen, physiologischen und metabolischen Veränderungen im meso-cortico-limbischen System begleitet wird.

 

Am Haushuhnküken (Gallus gallus domesticus) untersuchen wir den Einfluss des ersten nachgeburtlichen emotionalen Lernvorganges, die Entstehung der Bindung zwischen Neugeborenen und der Mutter (Filialprägung) auf die funktionelle Reifung von lernrelevanten ("limbischen") Vorderhirnregionen.

Welche hirnbiologischen Veränderungen lassen sich nach der Filialprägung nachweisen?

  • Filialprägung, d.h. die Assoziation eines akustischen Tonreizes ("Stimme" der Kunstmutter) mit einer emotionalen Situation (Wärme, Geborgenheit), führt zu einer Synapsenselektion.
    Initial kommt es zu einer Vermehrung von Synapsen, während später zu einer Verminderung von Synapsen zu beobachten ist.
  • Das Fehlen von erfahrungsinduzierter, aktivitätsregulierter synaptischer Aktivität, z.B. bei Sozial-deprivation oder bei pharmakologischer Blockade der neuronalen Aktivitäten, unterdrückt die synaptischen Selektionsprozesse.
  • Die Synapsenselektion erfolgt nur wenn der akustische Reiz einer emotionalen Situation assoziiert wird, passive "Berieselung" verändert die Synapsen nicht.
  • D.h. nicht nur die Neubildung, sondern auch der selektive Abbau von Spinesynapsen ist aktivitätsabhäning!
  • Das glutamaterge System spielt eine kristische Rolle beim Prägungslernen. Die Blockade der NMDA-Rezeptoren verhindert die Filialprägung und die damit einhergehenden regressiven synaptischen Veränderungen.
    Gehirnstoffwechsel

Auch in vitro zeigte sich an Gewebeschnittkulturen aus dem prägungsrelevanten MNH (medio-rostrales Neo-/Hyperstriatum), dass...

  • ...bioelektische Aktivität die Entwicklung und Aufrechterhaltung der neuronalen Morphologie und synaptischen Kontakte reguliert. Neurone, die unter chronischer Aktivitätsblockade (TTX-Gabe) heranwachsen, bilden weniger Spinesynapsen aus.

    culturesneuron

  • ...in Zusammenarbeit mit der Abteilung von Bernd Michaelis, (Institut für Prozessmesstechnik und Elektronik, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg) entwickelten wir ein Bildanalyseprogramm, in welchem die Feinstruktur von Lucifer Yellow gefüllten Neuronen  und ihre Spines in konfokalen Bildstapeln quantitativ werden kann
  • ...wir fanden bei geprägten Hühnerküken eien ABnahme der Spinedichte, die mit einer Erhöhung der Spinegräße und der Formkomplexität einhergeht.

    spinesmodell spineskoepfe

Schlussfolgerungen aus den tierexperimentellen Ergebnissen:

  • Vor allem die sehr frühen emotionalen Erlebnisse, d.h. kurz nach der Geburt und in den ersten Lebenswochen (Nager) bzw. Jahren (Primaten incl. Mensch) wirken sich nachhaltig ("prägend") auf die Entwicklung des Gehirns (limbisches System) und des Verhaltens aus.
  • Ein inaktiver Eltern-Kind-Kontakt ist von essentieller Bedeutung für die Entwicklung der Hirnfunktion und des Verhaltens.
  • Eine wiederheolte zeitweise, oder chronische Trennung von den Eltern verändert Verhaltensstrategien und induziert kurzfristige und langfristige Veränderungen von Transmitter- und Rezeptorsystemen und veränderte Dichten der Spine- und Schaftsynapsen in limbischen Regionen.

Letzte Änderung: 11.07.2024 - Ansprechpartner: Falco Plümecke